Die Welt des Auges

WV-Nr.:   338
Jahr:   1982
Art:   Wandgestaltung | Relief
Material:   Keramik
Ausführung:   flächige Aufbautechnik
Oberfläche:   modelliert, Glasur
Format:   auf einer Fläche von 500 x 270 cm (B x H)
Zustand:   erhalten, Original

Werkort:   St. Maria-Elisabeth-Haus
Durchgangsraum, Erdgeschoss
Elisabethstr. 2
49196 Bad Laer
Zugänglichkeit:   tagsüber zugänglich
Die Welt des Auges - Wandgestaltung
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Ruth und Theo M. Landmann Archiv e.V., Pia Landmann; Grovermann, Osnabrück

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Die keramische Wandgestaltung entstand für den Eingangsbereich der damaligen Augenklinik, die in diesem Gebäude untergebracht war.
+ Werktext
Unbenanntes Dokument

Die Welt des Auges
(Ruth Landmann, 1982)

Unsere Welt, in der wir leben, würde sich unserem Auge als unzusammen hängende Materie, als Chaos zeigen, wenn alle Seheindrücke nicht im menschlichen Gehirn geordnet, ausgewertet und erfahrbar würden.

Am Anfang der Darstellung, also der grüne Erdkreis, bewachsen mit Pflanzen, die dem Auge wohltun: Augentrost, Salbei, Ringelblume, Kornblume, Schöllkraut, Brennnessel, Königskerze usw.

Unser Auge würde diese schöne Erde nicht so sehen, wenn unser Gehirn sie nicht zum Bewusstsein brächte. So ist ein bunter Lichtstrahl herausgeformt, unzusammenhängend in Form und Farbe. Er fällt in das Auge ein und trifft die Netzhaut im lichtempfindlichsten Fleck. Die lichtempfindlichen Zellen verwandeln die Lichtwellen in Signale, die von Nervenfasern in der Sehbahn zum Gehirn weitergeleitet werden. Das Licht ist verschwunden. So beginnt der Weg des Erblickten zum Gehirn. Unser Auge meldet also keine Helligkeit weiter, nur Signale durch fortwährende Erregung.

Erst das Gehirn erfüllt diese Welt mit Licht. In der Darstellung wird deutlich, wie die Sehbahn ihren Anfang in der Netzhaut im »blinden Fleck« nimmt, in dem sich alle Nervenfasern sammeln und weitergeleitet werden; vor allem die erregten Nervenfasern des »gelben Flecks«.

Auf dem Bild ist in der Mitte der Komposition ein Teil des Zwischenhirn dargestellt, der Thalamus. Hier ist das Zentrum aller Empfindungen, der Seh-, Tast-, Riech-, Geschmacks- und Gehörsempfindungen. Das ganze Gehirn wird vom Thalamus aus mit Erregung versorgt. Von hier aus gehen strahlenförmig Nervenfasern zum Großhirn hin und zurück. Bei steigendem Interesse wird die Aktivität größer, und es werden zunehmend mehr Informationen aus dem Sehbereich verarbeitet. Durch Weitermeldung der eigenen Erregungszustände der einzelnen Nervenzellen ergibt sich sozusagen ein Gespräch miteinander, ein Austausch.

Unterhalb der Sehbahn liegt eingebettet das Zentrum des Sehens und Hörens. Es ist die Meldesammelstelle im Mittelhirn für alle optischen und akustischen Meldungen. Rechts daneben das Kleinhirn, das Kontrollzentrum, eine wichtige Schaltstelle zur Großhirnrinde. In ihm werden Einzelmeidungen zu einem Bild zusammengefasst. Das Kleinhirn gibt Informationen über Koordination von Bewegungen, Empfindungen. In der Darstellung: Ein Lamm hat Durst, bückt sich und trinkt. Ein Vogel hat Hunger und frisst von Beeren des Baumes. Der Schmetterling holt sich aus einer Blume Nahrung – instinktive Handlungen, Bewegungen, Reaktionen.

Der Sehstrahl trifft auf das Endhirn. An die intakte Struktur des Endhirn sind die wichtigsten Funktionen wie Bewusstsein, Intelligenz, Geist, Wille und Gedächtnis geknüpft, besonders auch das Erinnerungsvermögen: Qualitäten, die nur den Menschen auszeichnen. Diese Fähigkeiten stellen ihn auf eine ganz neue Ebene, auf der es ihm ermöglicht ist, die Zusammenhänge Gott – Mensch – Schöpfung zu erarbeiten und die Geheimnisse des Lebens zu erforschen.

Von dieser Einbruchstelle des Geistigen ausgehend endet der breite Sehstrahl im eigentlichen bewussten Sehzentrum, in der Sehrinde. Hier vollzieht sich der Sehakt. Der Mensch erkennt sich selbst und sieht die Welt, eine geordnete Welt. Er erlebt Sonne, erfreut sich an den von ihr beleuchteten Dingen und erfährt mitmenschliche Nähe. Als denkender Mensch mit Geist begabt, hat er die Freiheit mitbekommen, zu entscheiden zwischen Gut und Böse. Die Entscheidungsfreiheit gibt dem Menschen auch die Fähigkeit, seine Welt zu zerstören.
Fehlreaktionen im Gehirn, irgendwo?

Die übersinnliche, durchgeistigte Welt, dargestellt durch die gelbe runde Fläche, hat in dieser Komposition ihren primären, notwendigen und wichtigen und auch realistischen Ort. Sie gehört mit zum Universum. Der Text zieht sich in einer Spirale zum Mittelpunkt. Er lautet: »Selbst in verdunkelnden Schatten noch /treibt uns göttliches Feuer/bei Tag wie bei Nacht aufzubrechen: / „So komm! Dass wir das Offene schauen / dass ein Eigenes wir suchen / so weit es auch ist«. (Hölderlin)

Der Blinde, der dieses mitvollziehen kann, kommt dem Ursprung näher als der Sehende, der von den vielfältigsten Seheindrücken überwältigt wird. In der Darstellung ist das Auge des Blinden eingebaut in die Großhirnrinde, mit weitgeöffneter Pupille, angefüllt mit Bildern einer lichten Welt, deren Glanz vom göttlichen Bereich der Mitte ausgeht, symbolisiert durch das Auges Gottes.

Bei der Komposition zeigt sich eine Parallele zur Schöpfungsgeschichte:
Die Entstehung der Erde aus ungeordneten Kräften,
Koordinierungen in der Entwicklung,
Einbruch des Lichtes,
Entwicklung der Pflanzenwelt,
Entwicklung der Sinnesorgane,
die Stufe der höheren Tierwelt mit ihrem unbewussten Instinkt,
als Spitze der Mensch mit seinem Geist und seiner Freiheit, seiner Fähigkeit der Erkenntnis.

»Denn sein unsichtbares Wesen, seine ewige Macht und Göttlichkeit sind seit Erschaffung der Welt an seinen Werken durch die Vernunft zu erkennen.« (Röm. 1, 20)

+ Eigentümer
Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V., Bad Laer